„Was nur der Mutter gut bekommt, Zugleich auch ihrem Säugling frommt“
Manchmal ist ein Blick zurück auch für die Gegenwart aufschlussreich. Das gilt mit Sicherheit auch für die Ratschläge für Stillende aus dem mehr als hundert Jahre alten Buch „Säuglingspflege in Reim und Bild“ von Elisabeth Behrend. Das Büchlein hat uns die Erbin einer Hebamme geschenkt - ein tolles Dokument aus der Zeit um 1920. Die Ratschläge sind immer noch aktuell und eine wunderbare Lektüre zum heutigen Abschluss der Weltstillwoche.
Wo kommt die Muttermilch denn her?
Nun aus der Brust, das ist nicht schwer.
Wie aber kommt sie da denn hin?
Ihr wißt, es liegen Drüsen drin,
Die stellen Milch her aus dem Blut.
Drum sei das Blut gesund und gut;
Dazu, so lehrt uns die Erfahrung,
Hilft jegliche gesunde Nahrung.
Was nur der Mutter gut bekommt,
Zugleich auch ihrem Säugling frommt.
Wieviel? Nach Wunsch (doch nicht gefräßig!).
Getränk? Nach Durst! Nicht übermäßig!
Zuviel beschwert den Magen nur,
Macht krank und fett. Nützt keine Spur!
Doch wißt, dass sich die Milch vermehrt,
Je gründlicher die Brust entleert!
Hingegen, bleibt ein Rest bestehn,
Wird leicht die Milch zurückegehn.
Daraus lernt Fehler zu vermeiden:
Trinkt euer Kind an beiden Seiten,
So bleibt in jeder leicht ein Rest.
Es schadet, wie sich denken läßt,
(Weil’s seinen Appetit vermindert
Und es am kräft’gen Saugen hindert;)
Oft trinken, nach zu kurzen Pausen,
Viel Nuckeln und das Extraschmausen.
Gebt keinesfalls, das laßt euch sagen,
Schon Flasche in den ersten Tagen!
Wie soll es da dem Kind gelingen,
Die Brustfunktion in Gang zu bringen?
Die erste Flasche überhaupt
Ist nicht so harmlos, wie ihr glaubt,
Und „daß sich’s dran gewöhnen muß
Für später“, ist ein falscher Schluß.
Nein, immer fragt den Arzt vorher,
Denn Fehler hier sind folgenschwer.
Milchsteigerung läßt sich erreichen
Durch regelrechtes Brustausstreichen,
Nachdem das Kind getrunken hat;
Ein schwaches trinkt sich besser satt,
Wenn ihr zugleich die Brust ausstreicht,
Dann trinkt es mehr, denn es geht leicht.
„Darf eine zarte Frau auch stillen?“ Fussnote s.u.
„Gewiß! Und zwar um ihretwillen.
Besonders in der ersten Zeit
Ist es sogar von Wichtigkeit!“
„Bei Krankheit?“ „Bleibt ihr auch dabei
Wenn’s nicht vom Arzt verboten sei.“
„Bei Rückenschmerzen?“ „Mittagsruh,
flach liegend. Seht beim Stillen zu,
Daß ihr gestützt im Rücken seid,
Stillt nicht zu oft, zu lange Zeit.“
„Wenn nun die Regel wiederkommt?“
„Stillt ruhig weiter.“ „Und was frommt
Bei neuer Schwangerschaft?“ „Erst seht,
Ob’s sicher ist, daß sie besteht:
Nur dann entwöhnt, doch ohne Hast,
Sonst macht’s dem Kind und euch noch Last.“
„Bei irgendwelchen sonst’gen Leiden?“
„Lasst immer nur den Arzt entscheiden.“
Fußnote: Stillen bewirkt bessere Zurückbildung der Unterleibsorgane, fördert, den gesamten Stoffwechsel und verhütet oft, wenn auch nicht sicher, daß sich zu schnell ein Geschwisterchen einstellt.
Aus: Elisabeth Behrend, Säuglingspflege in Reim und Bild, Berlin 1916, Jubiläumsausgabe 14. Auflage B.G.Teubner, Leipzig und Berlin 1923