07.06.2018

Senkung der Sectiorate – auch an einem Level 1 Haus möglich!

Die Zahl der Schnittentbindungen steigt weltweit immer mehr an. In Deutschland wurde vor 15 Jahren jedes sechste, heute wird bereits nahezu jedes dritte Kind durch Sectio geboren, wobei die Sectiorate von Klinik zu Klinik stark variiert. Diese Entwicklung ist Ausdruck einer sich wandelnden Einstellung vieler Schwangerer zur Geburt, aber auch einer vielfach veränderten ärztlichen Verhaltensweise.

Betrachtet man die regionalen Unterschiede, so wird klar, dass die Unterschiede überwiegend auf einrichtungsspezifische Faktoren zurückgehen. Einen nicht unerheblichen Anteil daran haben auch die relativ indizierten Schnittentbindungen. Dazu zählen auch solche, zu denen sich der Arzt aus Gründen der Klinikorganisation und Personalbesetzung (Entbindung in der Kernarbeitszeit durch erfahrenes Personal, sofortige Bereitschaft der Sekundärabteilungen), aus Mangel an Erfahrung (z.B. bei der Leitung einer vaginalen BEL-Geburt), also namentlich aus einer prophylaktischen, womöglich defensiven Haltung heraus entschließt (Leitlinie zur Sectio, 2010, DGGG, Absolute und relative Indikationen zur Sectio caesarea).


Dr. Klaus- Dieter Jaspers, Chefarzt der Christopherus-Klinik in Coesfeld kennt das gut. "Bis vor wenigen Jahren lag bei uns die Rate der Kaiserschnitte noch bei 36 Prozent", sagt Jaspers. Dann aber begann beim Klinikteam ein Umdenkprozess. "Wir hinterfragen mittlerweile jeden einzelnen Kaiserschnitt", sagt er. Das Ergebnis: Die Rate konnte innerhalb von sieben Jahren um 200 Geburten auf 19,4 Prozent gesenkt werden – bei gleicher Erfolgsquote.

Der Chefarzt kommt in dem Interview mit rp.online.de zu einem eindeutigen Urteil: "In Deutschland werden erheblich mehr Kaiserschnitte durchgeführt, als medizinisch notwendig wären."

Wesentlich für die Veränderung waren dabei die geforderten Voraussetzungen in Bezug auf Personal und technische Ausstattung für ein Perinatalzentrum, aber auch die notwendigen Verfahrensanweisungen und festgelegten Ablaufszenarien z.B. im Falle einer Not-Sectio. Die Möglichkeit, jederzeit und sehr schnell alternativ eine Sectio durchführen oder Kinderärzte zu komplizierten Geburten hinzuziehen zu können, gab dem geburtshilflichen Team die Ruhe und Gelassenheit, die für eine physiologische Geburtshilfe unabdingbar ist, um bei Komplikationen angemessen und nicht hektisch zu reagieren.


Die Senkung der Sectiorate auf erstmalig knapp 20 % in 2014 geschah dann nicht von heute auf morgen, sondern relativ gelichmäßig über einen Zeitraum von 8 Jahren. 2016 lag die Sectiorate bei 19,2% (1.830 Geburten, 1.934 Kinder bei 102 Mehrlingsschwangerschaften).

Lesen Sie dazu auch das AKF Interview

Bei unserer Landestagung am 14.06. haben Sie die Möglichkeit, sich bei dem Vortrag von Dr. Jaspers einen weiteren Baustein mitzunehmen, wenn es darum geht, wie die Senkung der Sectiorate gelingen kann.