07.12.2016

Armutszeugnis für Deutschland - kein Platz für Mutter und Kind

Wer in der Verantwortung ist, gebärenden Frauen und ihren Kinder eine wohnortnahe geburtshilfliche Versorgung zu ermöglichen, und dennoch scheinbar achselzuckend dem Untergang der Kreißsäle zusieht, spielt mit der Zukunft unserer Gesellschaft. Eine Reihe von Entscheidungen der jüngsten Zeit entsetzen.

Dazu gehören die geplante Schließung der Geburtshilfe in St. Augustin, aber auch die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses zum Sicherstellungszuschlag in Kliniken, die die Geburtshilfe ausklammert. Wir sind fassungslos, aber nicht sprachlos - und lassen uns erst recht nicht mundtot machen!

nicht bedacht: Sicherstellungszuschlag für Geburtshilfe

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat Ende November entschieden, Kliniken einen Sicherstellungszuschlag zukommen zu lassen, um die flächendeckende Versorgung aufrechterhalten zu können. Als Basisversorgung wird dabei innere Medizin und Chirurgie angesehen. Unfassbar ist, dass die Geburtshilfe völlig außen vor bleibt - gerade nach den skandalösen Entwicklungen, die es in diesem Jahr in der Geburtshilfe gegeben hat: Geburtshilfliche Versorgung in Wohnortnähe ist nahezu unmöglich geworden, immer mehr gebärende Frauen werden gezwungen, über 30 Kilometer im Auto zu verbringen, um eine Klinik zu finden, die sie nicht abweist. Hierbei werden Mutter und Kind sehenden Auges gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt.

Im Bericht der Lokalzeit Bonn zur geplanten Schließung der Geburtshilfe in St. Augustin berichten Mütter von ihren Erfahrungen: Eine Risikoschwangere musste bis zu ihrer Aufnahme sechs Kliniken anrufen - ihre Kinder kamen dann 70 Kilometer vom Heimatort entfernt auf die Welt!

Kreißsaalschließungen am Fließband?

Trotz dieser Szenarien äußert sich der ärztliche Leiter der Klinik in St. Augustin so, dass die dort  vorgesehene Schließung der Geburtshilfe als "Verlagerung" zu bezeichnen sei, die eine medizinische Verbesserung herbeiführe: "Hin zur Konzentration - weg von der Bauchladenmentalität". Wenn unter Bauchladenmentalität jedoch verstanden wird, schwangeren Frauen die Freiheit zu nehmen, wo sie gebären wollen und ihnen Anfahrten von 30 km und mehr zur Geburt ihres Kindes zuzumuten, dann ist das Niveau unserer Geburtskultur ganz unten angelangt. Zumal "Verlagerung" nicht bedeutet, dass die Kapazitäten der umliegenden Kliniken aufgestockt werden, am Beispiel St. Augustin bedeutet dies, ca. 1.000 Geburten zusätzlich unterzubringen. Unter diesen Umständen qualitativ hochwertige Geburtshilfe zu leisten und Frauen und Kinder angemessen zu betreuen, ist ein Ding der Unmöglichkeit!

Wir bleiben dabei und fordern ein Machtwort der Politik und einen Richtungswechsel, und zwar dringend. So darf es nicht weitergehen: ein Armutszeugnis für Deutschland!

Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum Sicherstellungszuschlag

Lokalzeit Bonn: Mahnwache anlässlich der Schließung der Geburtshilfe in St. Augustin

SAT1 - Akte 20.16:  zur Situation schwangerer Frauen, junger Mütter und ihrer Hebammen